Kreisgruppe Bochum

10.07.2017, Exkursion: Pflanzenwelt in Bochum - Gelände der Ruhr-Universität Bochum

Drüsiges Weidenröschen (Epilobium ciliatum) auf den Flachdächern der Ruhr-Universität  (© Armin Jagel)

Die Ruhr-Universität Bochum liegt bereits im Bergland, sie thront auf den Ausläufern des Ardeygebirges, mit denen sich das Mittelgebirge auf Bochumer Gebiet bis ins Weitmarer Holz ausdehnt. Da es sich bei dem Unigelände aber um einen gigantischen Betonklotz handelt, der sich bei Sonnenschein schnell aufheizt, fungiert es als Wärmeinsel, was sich auf die Flora auswirkt. Das Gelände weist eine Reihe von Pflanzenarten auf, die typisch für das westfälische Flachland bzw. das Ruhrgebiet sind. Auf Wegen, Wiesen und Flachdächern wachsen Pflanzen, die von großer floristischer Bedeutung für Bochum und z. T. sogar für NRW sind.

Die Flora des Unigeländes wurde in den 1990er Jahren von Ulrike Goos untersucht, die Ergebnisse finden sich auf der Seite des Botanik-Lehrstuhls und sind auch in eine Veröffentlichung eingegangen (Jagel & Goos 2002).

Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa), verwildert auf dem Unigelände in Bochum  (© Armin Jagel)

Viele Arten wachsen an Wegen, in Pflasterritzen und auf den immer vorhandenen, zahlreichen Baustellen. Hier findet man auch Verwilderungen aus dem angrenzenden Botanischen Garten, wie z. B. Jungpflanzen des chinesischen Blauglockenbaums (Paulownia tomentosa) mit mächtigen Blättern am Gebäude NDEF. Auch einige in NRW heimische Arten stammen aus Anpflanzungen in Beeten oder sind aus dem Botanischen Garten verwildert, wie die Hänge-Segge (Carex pendula) und der Wiesen-Pippau (Crepis biennis). Viele Arten profitieren von den vorhandenen offenen und warmen Standorten, wie Hasen-Klee (Trifolium arvense), Feld-Klee (Trifolium campestre), Kompass-Lattich (Lactuca serriola) und Bitterkraut (Picris hieracioides).

Weichhaariger Frauenmantel (Alchemilla glaucescens) auf dem Gelände der RUB  (© Armin Jagel)

Von großer Bedeutung für Bochum sind die mageren Wiesen, die eine Reihe von seltenen Arten enthalten. Und dies auch heute noch, obwohl sie aufgrund von sog. Ausgleichsmaßnahmen z. T. mit Ziergehölzen zugepflanzt wurden. Hierdurch sind einige Kostbarkeiten verschwunden oder wurden stark reduziert. Auf den noch vorhandenen Wiesen findet man Arten, die in Bochum früher "gemein" waren, aber heute sehr selten geworden sind, wie die Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia, Vorwarnliste NRW). Die Ackerröte (Sherardia arvensis) ist eigentlich ein Ackerunkraut. Da sie aber von den Äckern durch Herbizide vertrieben wurde, hat sie sich einen anderen Lebensraum gesucht und wächst heute im gesamten Ruhrgebiet gerne in häufig gemähten Zierrasen (sog. Scherrasen). Sie wird auf der Roten Liste NRW als gefährdet geführt (RL 3). Als sehr große Seltenheit der nordrhein-westfälischen Flora findet man auf einer Wiese sogar den Weichhaarigen Frauenmantel (Alchemilla glaucescens, RL 3).

Bleiche Fetthenne (Sedum pallidum), eine neue Art der NRW-Flora  (© Armin Jagel)

Die Flachdächer, die die Gebäude miteinander verbinden, wurden an vielen Stellen mit Zierpflanzen begrünt, darunter eine Fülle von Mauerpfeffer und Fetthennen-Arten, z. B. Weißer Mauerpfeffer (Sedum album), Milder Mauerpfeffer (Sedum sexangulare), Kaukasus-Fetthenne (Phedimus spurius) und Kamtschatka-Fetthenne (Phedimus kamtschaticus agg.). Von einer Art ist erst seit kurzem bekannt, dass sie in NRW auch verwildert, nämlich die Bleiche Fetthenne (Sedum pallidum). Aber auch nicht-sukkulente Arten wurden hier gepflanzt und verwildern auf den Wegen, wie die Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora), die als Wildform in NRW auf Halbtrockenrasen vorkommt und gebietsweise gefährdet ist. 

Gelbweißes Ruhrkraut (Helichrysum luteoalbum) am Audimax der RUB  (© Armin Jagel)

Auf den Flachdächern wuchsen lange eine Reihe von Sandarten, die möglicherweise schon mit dem Sand für den Wegebau eingeschleppt wurden. Hierzu gehörte z. B. das Kleine Filzkraut (Filago minima), das hier mittlerweile aber "weggepflegt" wurde. Finden kann man es heute noch in Pflasterritzen an der Zufahrt zur Uni unter dem Musischen Zentrum. Noch reichlich vorhanden sind große Mengen des im Flachland weit verbreiteten Grases Mäuseschwanz-Federschwingel (Vulpia myuros).

Eine Art ist besonders bemerkenswert und sie hat schon eine lange und bedeutsame Geschichte auf dem Unigelände: das Gelbweiße Ruhrkraut (Helichrysum luteoalbum = Pseudognaphalium luteoalbum). Es wurde bereits in den 1990er Jahren hier gefunden, als es in NRW noch als ausgestorben galt. Seit über 20 Jahren breitet sich die Art allen Reinigungsmaßnahmen zum Trotz (Gasbrenner, Heißwasser-Schaum, etc.) um das Audimax aus und ist nicht kleinzukriegen. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Vorkommen um das am längsten vorhandene und individuenreichste Vorkommen in ganz NRW. Eine Schätzung von mehreren tausend Pflanzen dürfte nicht übertrieben sein.

 (© Armin Jagel / Bürstengras (Polypogon monspeliensis) auf dem Glände der RUB)

Neben den vielen seltenen und interessanten Arten, die noch erwähnt werden könnten, sticht das Vorkommen einer Art besonders hervor, weil es für ganz NRW eine Bedeutung hat: das Bürstengras (Polypogon monspeliensis). Es wurde im Bundesland nur sehr selten gefunden und war bisher immer nach kurzer Zeit, oft nach nur einem Jahr, wieder verschwunden, so auch schon mal im Jahr 1993 an der Herner Str. in Bochum-Riemke. Auf dem Unigelände hat die Art aber nun ganz offensichtlich einen Platz im Kies und zwischen Gehwegplatten gefunden, wo es nun schon über 10 Jahre wächst und sich in den letzten Jahren ausgebreitet hat. Als mediterrane Art profitiert sie wohl auch von der Klimaerwärmung. Eine Einbürgerung war in NRW bisher nicht bekannt.

(Bericht von Armin Jagel, 10.07.2017)

Literatur zum Weiterlesen und Bestimmen:

BOMBLE, F. W. 2012: Sedum s. l. – Fetthenne, Mauerpfeffer – In Nordrhein-Westfalen einheimische und verwilderte Arten. - Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 3: 269-280.

BOMBLE, W. & WOLGARTEN, H. 2013: Die Bleiche Fetthenne (Sedum pallidum M. BIEB.) im Aachener Raum. - Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 4: 50-55. 

GOOS, U. 1998: Floristische, vegetationskundliche und avifaunistische Untersuchungen auf dem Gelände der Ruhr-Universität Bochum. - Diplomarb., Fak. Biol., Univ. Bochum. 

JAGEL, A. & GAUSMANN, P. 2010: Zum Wandel der Flora von Bochum im Ruhrgebiet (Nordrhein-Westfalen) in den letzten 120 Jahren. - Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 1: 7-53.

JAGEL, A. & GOOS, U. 2002: Die Flora des Geländes der Ruhr-Universität Bochum und des benachbarten Kalwes und deren Grenzstellung zwischen zwei Großlandschaften. – Natur & Heimat (Münster) 62(3/4): 65-79. 

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