Artenvielfalt aus der Discounter-Samentüte?
Der Gartenhandel hat die Chance zur Vermarktung der Lösung schnell erkannt und auch die Supermärkte springen auf den Hype auf. Sie bieten an, für wenig Geld: "Wildblumenmischung", "Schmetterlingswiese", "Bienenpflanzen" oder "Nützlingswiese, einjährige Mischung". Einjährige Wiesen? Da geht so Einiges durcheinander. Aus Urheberrechtsgründen können wir hier die entsprechenden Samentüten nicht abbilden. Aber sie zeigen häufig Pflanzen, die nichts mit der heimischen Flora zu tun haben. Aus ihnen kommen viele bunte Blumen mit entlarvenden Namen wie Kalifornischer Kappenmohn, Österreichischer Lein und China-Hundszunge. Wildblumen sind es bei uns nicht. Wiesenblumen sind das schon mal gar nicht, sie verschwinden nämlich normalerweise bereits im nächsten Jahr wieder.
So einfach ist es halt nicht, "der Natur etwas Gutes zu tun". Die schnelle Lösung funktioniert nicht. Aber mit ein klein wenig Zeitaufwand in Recherche und einigen praktischen Tipps bekommt man einen Garten hin, in dem man nicht nur Honigbienen und Tagpfauenaugen zu Gesicht bekommt.
Heimische Arten - Exotische Arten
Nicht, dass wir missverstanden werden: Wir fordern nicht, liebgewonnene exotische Zierpflanzen aus den Gärten zu verbannen. Viele davon sind durchaus auch attraktiv für Insekten, die an ihnen Nektar und Pollen sammeln, z. B. der Rote Sonnenhut (Echinacea purpurea), Kugel-Disteln (Echinops) oder der Schmetterlingsstrauch/Sommerflieder (Buddleja davidii). Fremdländische Zierpflanzen sind außerdem allemal besser als sterile Kiesbetten oder Lebensbaumhecken. Aber wenn man auf die Blüten einer Reihe von heimischen Arten schaut, dann ist dort sehr viel mehr los, z. B. sind Disteln (Cirsium, Carduus), Wasserdost (Eupatorium cannabinum) und viele Doldenblütler wie der Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) wahre Magneten für die Insektenwelt und toppen darin jede Zierpflanze. Viele der fremdländischen Arten sind nur für die Generalisten unter den Bestäubern interessant, also für Insekten, die viele verschiedene Pflanzenarten zum Nektar- und Pollensammeln nutzen können, wie z. B. die Honigbienen. Der überwiegende Teil unserer Wildinsekten ist aber stärker spezialisiert auf wenige Pflanzenarten. Wenn diese nicht mehr existieren, kann auch das Insekt nicht überleben. Womöglich ist es gar nicht schlecht, wenn die Generalisten von den Exoten versorgt werden und den Spezialisten nicht ihre mittlerweile so eng begrenzte Nahrung wegfressen.
Komplexe Welt
Bestäuber brauchen nicht nur spektakulär bunt blühende Pflanzen. In ihrem Lebenslauf sind sie in der Regel von unterschiedlichen Pflanzen- oder Tierarten abhängig. Schmetterlingsraupen benötigen oft ganz anderen Pflanzen (z. B. das Tagpfauenauge Brennnesseln), als später die erwachsen Schmetterlinge. Will man gezielt bestimmte Arten fördern, muss man sich also über den gesamten Lebenszyklus des gewünschten Insektes informieren und ggf. auch die Raupenfutterpflanzen ansiedeln, selbst wenn diese vielleicht nicht so attraktiv für das menschliche Auge sind. Wer mag schon Brennnesseln?
Die Larven des Großen Wollschwebers entwickeln sich auf den Larven von Solitärbienen, Wespen oder Eulenfaltern. Ohne diese Insekten gibt es auch keine Wollschweber, die wie kleine Kolibris über die Wiese huschen und durch ihren abgehackten Flug auffallen.
Das Ökosystem ist eben weitaus komplexer, als dass man ihm mit dem Kauf einer Zierpflanzensamentüte gerecht werden könnte.
Das Sommerloch
Es ist wichtig, für einen langen Blühzeitraum zu sorgen und genau das liegt auch im Sinne des Gartenbesitzers. In der heutigen "Natur" finden Insekten im Frühjahr noch vergleichsweise viele blühenden Pflanzen. Damit ist aber schnell Schluss und nach der Obstbaum- und Rapsblüte suchen selbst die Generalisten umsonst nach Nahrung. Im Sommer ist es "im Grünen" wirklich oft nur noch grün. Nicht mehr bunt. Viele Pflanzenarten, die früher bei uns auf den Wiesen zu dieser Zeit blühten, wie z. B. Kleine Bibernelle (Pimpinella saxifraga) oder Feld-Thymian (Thymus pulegioides) sind mittlerweile weggedüngt oder wegen zu häufiger Mahd verschwunden. Ein durchdachter Naturgarten kann hier die große Blühlücke überbrücken.
Heimisches im Staudenbeet
Wir haben eine bunt blühende Artenmischung zusammengestellt, die nur Pflanzenarten enthält, die in NRW bereits im 20. Jahrhundert einheimisch waren. Dabei lassen wir solche weg, die im Garten zu sog. Problemunkräutern werden können (z. B. Giersch, Maiglöckchen). Ein Großteil dieser Arten kam zumindest früher auch im östlichen Ruhrgebiet vor. Wer sich in dieser Region auf solche Arten beschränken und damit einen wirklich regionalen Naturgarten entwickeln möchte, lässt die in der Liste markierten Arten einfach weg. Wir beziehen uns auf das östliche Ruhrgebiet, da das westliche Teile des Rheintals umfasst und dort viele Arten vorkommen, die natürlicherweise im Osten nicht auftreten, wie z. B. der Wiesen-Salbei.
Empfehlungen für die Blumenbeete (pdf)
Die Arten bekommt man weder als Topfpflanze noch als Samen nur selten in normalen Gartencentern, sondern eher in spezialisierten Gärtnereien oder über das Internet. Dabei sollte man besser auch auf den lateinischen Pflanzennamen achten, denn vieles Exotische wird unter dem gleichen deutschen Namen verkauft, wie z. B. "Arnika" und "Katzenminze". Dahinter verstecken sich dann oft aber doch andere Arten wie Amerikanische Arnika (Arnica chamissonis) und Blaue Katzenminze (Nepeta faassenii), die bei uns nicht heimisch sind. Bei Samenbestellungen empfehlen wir Anbieter von Regiosaaten, die also in unserer Region gesammeltes Saatgut vermehren.
Im Folgenden sind diese Pflanzen im Bild zu sehen: bunte Vielfalt in Nordrhein-Westfalen, über die sich die heimische Insektenwelt freut.
Natürlich lassen sich noch eine Reihe weiterer NRW-Arten finden, die man dieser Liste hinzufügen könnte. Hierzu muss man wissen, ob sie in Nordrhein-Westfalen heimisch sind. Die LANUV bietet eine Florenliste an, in der alle in NRW beständig auftretenden Arten aufgeführt werden. Dieser Liste kann man auch entnehmen, welche Arten im Ballungsraum Ruhrgebiet auftreten oder auftraten (allerdings ohne unsere Differenzierung in Ost und West). Neophyten sind in der Liste kenntlich gemacht.
Anlage einer bunten Gartenwiese
Was macht man eigentlich mit der Discounter-Samentüte, die eine Schmetterlingswiese verspricht? Ausstreuen über dem Zierrasen? Der dann bunt erblüht? Kein einziger Samen wird aufgehen.
Eine blühende Wiese zu entwickeln, wie sie früher bei uns vorkam, ist eine weitaus größere Herausforderung als das Zusammenpflanzen verschiedener Arten in einem Staudenbeet. Wir versuchen damit schließlich, eine ganze Pflanzengesellschaft wiederherzustellen, die sich selbst hält, mit Ausnahme der Pflege durch Mahd. Und wir lassen eine Wiesennutzung aufleben, die es heute nicht mehr gibt. Man benötigt dazu eine Portion Fingerspitzengefühl, muss aufmerksam beobachten und braucht vor allem auch ein wenig Geduld. Nicht jede Pflanze, die man gerne hätte, wird sich etablieren lassen, das liegt in der Natur der Sache.
Auch bei der Anlage einer Gartenwiese empfehlen wir die Arten, die bereits im 20. Jahrhundert Bestandteil unserer Wiesen waren. Eine Liste bieten wir demnächst an anderer Stelle an. Natürlich kann man die Wiese anreichern mit Arten, die man besonders mag, auch wenn sie nicht heimisch sind. Bei einer natürlichen Wiesenentwicklung im 21. Jahrhundert hätten sich die Wiesen auch weiterentwickelt. Man muss aber ausprobieren, ob sich die Wunscharten mit den gewählten Mahdbedingungen anfreunden können, die wir für eine "historische" Wiese wählen.
Eines der wichtigsten Aspekte bei der Entwicklung einer Wiese ist eine sachgerechte Mahd. Das bedeutet zu allererst: nicht mehr als 2-3 mal im Jahr mähen und das zum richtigen Zeitpunkt. Ein Problem dabei ist oft, dass der gängige Rasenmäher zu tief ansetzt und vieles zermatscht. Die offenen Flächen, die so wichtig sind für die eigenständige Selbstaussat der Wiesenpflanzen, werden dann zugedeckt mit dem zermalmten Mahdgut. Mulchen ist daher der Tod jeder artenreichen Wiese. Je mehr man sich dagegen einer traditionellen Mahd nähert, um so eher wird eine artenreiche Wiese entstehen. Und dabei hilft am besten die Verwendung einer Sense! Ausführlicher auf die Anlage einer Wiese wird an anderer Stelle eingegangen (in Vorbereitung).
Armin Jagel (BUND Bochum) & Volker Unterladstetter (NABU Köln)
(23.04.2018).