Kreisgruppe Bochum

Anlage von bunten Blumenwiesen in Bochum - unser Beitrag zur Rettung der heimischen Insektenvielfalt

Der BUND unterstützt die Anlage von bunten Blumenwiesen an verschiedenen Orten in Bochum. Wiesen, die diesen Namen auch verdienen. Wie wir das machen, erklären wir hier

Wo sind unsere Wiesen hin?

Grünland im Bochumer Süden, ein "Grasacker". Nur noch grün, nicht mehr bunt  (© Armin Jagel)

Wo sind die bunten und artenreichen Wiesen hin, die noch Ende des 20. Jahrhunderts in Bochum verbreitet waren? Von HUMPERT wurden sie 1887 eindrucksvoll beschrieben.

Echte Wiesen, in unserem Raum handelt es sich dabei um sog. Glatthaferwiesen, gibt es in Bochum tatsächlich nicht mehr, sie sind aufgrund einer veränderten Landwirtschaft verschwunden. Das was heute "Wiese" genannt wird, sind meist Zierrasen (z. B. Vorgartenrasen, Parkrasen, auch Obstwiesenrasen), grasdominiertes Brachland und Grasäcker, wie wir die heutigen "Wiesen" der Landwirtschaft nennen. Letztere dienen lediglich der Produktion von Futtergras und sind kein geeigneter Lebensraum mehr für zahlreiche Insekten, die früher typisch für Wiesen waren, insbesondere Wildbienen. Wiesen wurden aber natürlich auch früher nicht angelegt, um Insekten einen Lebensraum zu bieten. Sie entstanden schlichtweg durch die notwendige Produktion von Heu, um das Weidevieh durch den Winter zu bekommen.

Warum verschwanden Wiesen?

Eine bunt blühende Glatthaferwiese im Mai-Aspekt im Ruhrtal bei Witten, wie sie früher noch viel bunter auch bei uns überall vorkam  (© Armin Jagel)

Eine Wiese hatte früher nur eine sehr begrenzte Menge an Nährstoffen im Boden zur Verfügung und daher nur eine ein begrenzte Produktionskapazität. Bei jeder Heuernte wurden ihr Nährstoffe entzogen. Daher hat man auch früher schon mit allem Möglichen gedüngt, war aber nicht in der Lage zu überdüngen, sondern konnte im besten Fall ausgleichen, was entnommen wurde. Es entstand ein gesunder Kreislauf, der es möglich machte, zweimal im Jahr zu mähen, mehr aber nicht. Zahlreiche Pflanzen richteten sich über die Jahrhunderte auf diesen Rhythmus ein und wurden so zu Wiesenpflanzen einer bunten Blumenwiese.

Durch die zunehmenden Möglichkeiten einer industralisierten Landwirtschaft in einer immer reicheren Gesellschaft wurde etwa seit den 1970er Jahren immer mehr gedüngt. Man erreichte dadurch eine viel höhere Produktivität der Wiesen, wodurch häufigere Mahden möglich wurden. Nährstoffliebende Futtergräser wurden dadurch gefördert, bunt blühende Kräuter blieben zunehmend auf der Strecke. Sie konnten in den kurzen Zeiträumen zwischen den Mahden keine reifen Früchte mehr bilden und sich nicht mehr vermehren. Arten, die nährstoffarme Böden benötigen, verschwanden. Hinzu kam und kommt auch heute noch die Anwendung von Giften (z. B. gegen das für einen Teil des Viehs giftige Jakobs-Greiskraut, wobei auch alle anderen Kräuter abgetötet werden). Eine Reihe von Wiesenkräutern konnte sich auf Ersatzlebensräumen halten, wie z. B. an Straßenrändern, andere starben aus. Der Großteil fand sich in den Roten Listen der gefährdeten Pflanzenarten wieder, wo sie sich zu zahlreichen Ackerunkräutern gesellten, die früher unsere Felder besiedelten. Und so gehören Wiesen- und Ackerpflanzen heute zu den Pflanzenarten Deutschlands mit den deutlichsten Rückgängen.

Als verantwortlich für die heutige Situation im Grünland und auf den Äckern können wir also "die Landwirtschaft" ausmachen, man sollte aber deswegen nicht den Landwirt an den Pranger stellen. Er übt seinen Beruf aus, produziert Nahrung - nicht nur für sich und seine Familie, sondern für uns alle - und muss dafür sorgen, dass seine Arbeit lukrativ bleibt. Das Problem ist die gesellschaftliche Gesamtsituation, die nicht mehr vorhandene Nachhaltigkeit des Systems.

Verlorene Wiesen zurückholen? Wie geht das?

Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys), breitet sich nach Wiederaufnahme einer adäquaten Wiesenpflege selbstständig wieder aus  (© Armin Jagel)

Ein Acker bildet im Boden eine Samenbank, aus der selbst nach vielen Jahren Anwendung von Gift und Dünger die ein oder andere verschollene Seltenheit wieder hervorgezaubert werden kann, wenn man ihn in ein Schutzprogramm übernimmt. Wiesen dagegen besitzen eine solch ausgeprägte Samenbank nicht! Pflanzenarten, die über Jahre durch intensive Bewirtschaftung verloren gegangen sind, kommen daher nicht selbstständig aus dem Boden wieder und auch ein Einwandern von außen funktioniert heute so gut wie nicht mehr. Die lange verbreitete Ansicht, man könne einen Lebensraum allein durch Wiederaufnahme der traditionellen Pflege wieder herstellen, man brauche nur Geduld, trifft auf Wiesen nicht zu. Die Natur ist nicht mehr in der Lage, "es selbst wieder zu richten". Dies ist die schlechte Nachricht.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Wiesenarten, die noch in kleinsten Resten vorhanden sind, breiten sich bei richtiger Pflege wieder aus. Das hat sich auf unserer Naturschutzwiese in Bochum-Laer beim leuchtend blau blühenden Gamander-Ehrenpreis gezeigt. Von ihm war nur noch ein kleiner Restbestand vorhanden, nun wächst er wieder an mehreren Stellen und breitet sich weiter aus.
Arten, die ganz verloren gegangen sind, kann man heute relativ einfach wieder ins System einfügen, da sie über sog. Regiosaatgut erhältlich sind. Mit ein bisschen Engagement und aufmerksamer Beobachtung kann man also eine Blumenwiese wieder entstehen lassen, die ihren Namen wirklich verdient. Wie das geht, soll nun näher beschrieben werden.

Wo werden Wiesen angelegt - wo sollte das nicht geschehen?

Reste eines kostbaren, artenreichen Magerrasens im Bochumer Westpark  (© Armin Jagel, 14.04.2021)

Vorab müssen wir noch einmal betonen, dass wir uns hier mit der Glatthaferwiese (wiss. Arrhenatheretum) beschäftigen, dem Wiesentyp, der früher charakteristisch für das Bochumer Grünland (wie auch für große Teile des nordwestdeutschen Tieflands) war. Er wuchs früher an recht nährstoffreichen Standorten, allerdings stellt das, was damals als nährstoffreich galt, heutzutage einen relativ nährstoffarmen Standort dar! Die Landschaft ist durch das Wirken des Menschen heute so stark verändert, das sie großflächig mit Nährstoffen überlastet (eutrophiert) ist.
Nährstoffarme Standorte sind bei uns sehr selten geworden und schützenswert. Hier ist die Artenvielfalt besonders hoch und hier konnten Reste der ursprünglichen Pflanzen- und Tierwelt überleben.

In Bochum waren es zunächst die Industriebrachen, wo Magerrasen noch zu finden waren. Sie wurden aber in den letzten 20 Jahren größtenteils "inwertgesetzt", also überbaut oder vom Freizeitbetrieb in Beschlag genommen. Dadurch gingen sie fast überall für den Natur- und Artenschutz verloren. Heute findet man größerflächige Magerstandorte eher noch auf Friedhöfen, auch weil dort nicht (mehr so häufig) gedüngt wird.

Für den Naturschutz wertvoller Sandmagerrasen mit gefährdeten Arten (z. B. Frühe Haferschmiele, Aira praecox) auf einem Friedhof in Dorsten, der bei der (erfolglosen) Anlage einer "bunten Blumenwiese" aus nicht-heimischen Arten teilweise zerstört wurde  (© Armin Jagel)

Bei der Anlage von "bunten Blumenwiesen" dürfen solche Magerrasen keinesfalls zerstört werden. Doch das passiert in letzter Zeit verschiedentlich wegen des boomenden Bestrebens, etwas für die Insekten zu tun. Magerrasen aber haben ebenfalls einen hohen Wert für die Artenvielfalt. Sie wirken allerdings bei oberflächlicher Betrachtung weitaus weniger spektakulär und können den exotisch großblumigen Pflanzen aus der Gartencenter-Samentüte optisch nicht das Wasser reichen. Daher werden sie gerne für die neuen "Bienen- und Schmetterlingswiesen" verwendet, eine verheerender Trend! Zu allem Überfluss gelingt es dann oft nicht einmal, die gewünschte "Wiese" zu installieren, weil sich der nährstoffarme Standort dazu nicht eignet. Die kostbare ursprüngliche Vegetation ist dann bereits zerstört, mitsamt aller Wildbienennester, die sich im Boden befanden.

Es bleibt also nicht aus, sich eine Fläche vorab mit Sachverstand anzuschauen oder von Fachleuten begutachten zu lassen, damit aus einer gut gemeinten Aktion kein misslungener Aktionismus mit negativen Auswirkungen für die Natur übrig bleibt.

 

Neuanlage einer Wiese

Neustart einer Blumenwiese: Grassoden werden entfernt  (© Armin Jagel)

Es gibt im Prinzip zwei verschiedene Methoden, eine Wiese wiederzubeleben: eine schonende und eine rabiate. Hat man schon eine halbwegs ansehnliche Wiese zur Verfügung, kann man sie schonend mit verschollenen Arten anreichern. Darauf gehen wir weiter unten ein.

Die rabiatere Methode ist eine komplette Neuanlage, was wir zusammen mit den Bewohner*innen und Freund*innen des Hofes Bergmann in Bochum-Laer seit 2019 durchgeführen. Zunächst wird eine Fläche erst einmal quasi komplett auf Null gesetzt. Der vorhandene Bewuchs wird dabei weitgehend entfernt. Hierfür kann man einen sog. Sodenschneider ausleihen, der die Grassoden abschneidet. Sie müssen dann entfernt werden: eine Knochenarbeit, wenn es um große Flächen geht. Anschließend wird der Boden mit einer Fräse aufgelockert (oder gepflügt), um es den Wurzeln der neuen Wiesenpflanzen einfacher zu machen. In kleineren Gärten bedeutet das Umgraben, als würde ein neues Beet angelegt. Meist wird empfohlen, mehrfach zu fräsen um die aufkommenden "Unkräuter" zu dezimieren. Sie sind im Boden vorhanden und daher oft keine Wiesenpflanzen. Wir fräsen nur ein- zweimal, weil einerseits nach jedem Fräsen immer wieder neue "Unkräuter" aus der Samenbank reaktiviert werden, und andererseits ihre Zukunft sowieso durch die nachfolgende Wiesenpflege begrenzt ist.

Eine Neuanlage einer Wiese kann im Februar/März oder im September/Oktober erfolgen. Wir empfehlen den Herbsttermin, denn durch die mittlerweile bei uns regelmäßig auftretenden Dürreperioden im Frühjahr sind die Ergebnisse nach Märzeinsaat oft unbefriedigend. Bei den Ansaaten muss man berücksichtgen, dass nicht alle Arten sofort nach der Aussaat keimen. Einige brauchen eine Kälteperiode im Winter, damit die Samenruhe gebrochen werden kann (Hahnenfuß- und Klappertopf-Arten z. B.). Wenn man solche Arten im März einsät, keimen sie frühestens im Folgejahr.

Blumenwieseneinsaat auf dem Hof Bergmann  (© Hof Bergmann)

Nach der Vorbereitung der Fläche wird eingesät und im Anschluss die Samen mit einer Walze dem Boden fest angedrückt. Anders als man es von der Einsaat von Gemüse kennt, müssen die Samen nicht unter die Erde, sondern sie liegen ihr auf. In kleineren Gärten kann man die Samen auch einfach mit den Füßen festtreten

Um zu einer heimischen Blumenwiese zu gelangen, verwenden wir ausschließlich heimische Arten aus Regiosaatgut, also Samen, die von Pflanzen unserer Region gewonnen wurden. Hintergrund dafür ist, dass unsere selten gewordenen Tierarten auf heimische Pflanzenarten angewiesen sind und mit Blumen aus anderen Florenregionen (wie z. B dem Mittelmeergebiet) oft gar nichts anfangen können (mehr zur Thematik: BUCH & JAGEL 2020).

Wachsen lassen

Infoschild zur neu angelegten Wattenscheider Wieser  (© Holger Sense)

Und nun heißt es warten, ein wenig Geduld ist gefragt. Eine Wiese ist ein längerfristiges Projekt, nicht im ersten Jahr entsteht schon eine fertige Wiese. Dies ist ein verbreiteter Trugschluss, der dadurch entsteht, dass im Handel oft Samentüten für "Blumenwiesen" angeboten werden, die schon im ersten Jahr bunteste Flächen entstehen lassen. Dabei handelt es sich aber weder um Wiesenpflanzen noch um Wiesen. Nach ein oder zwei Jahren ist das bunte Wunder wieder vorbei. Ein echte Wiese braucht etwas Zeit, ist dafür aber dann bei weitem nachhaltiger. Notwendig ist nur noch die adäquate Pflege, die leichter ist, als man vielleicht vermutet.

Legt man Wiesen im öffentlichen Raum an, ist es angebracht, zumindest anfangs Infotafeln aufzustellen, um den Betrachter*innen zu erklären, das es sich nicht etwa um eine Fläche handelt, die nicht gepflegt wird. So haben wir es z. B. auf dem ev. Friedhof in Wattenscheid getan, wo seit 2020 3000 m² einer "Wattenscheider Blumenwiese" entstehen.

Erhalt einer Wiese - die richtige Pflege

Beginn der Mahd der BUND-Naturschutzwiese im Juni 2017  (© Bund Bochum)

Es wird ein wenig dauern, bis sich ein Gleichgewicht eingestellt hat, aber bereits im zweiten Jahr kann eine schöne bunte Wiese entstehen. Für die Entwicklung und den Erhalt ist dann nicht viel mehr notwendig als Mahd. Diese wird in unserem Raum nur zweimal im Jahr durchgeführt (zweischürig): einmal im späten Frühjahr, das zweite Mal im Herbst. Berücksichtigt werden müssen dabei drei wichtige Punkte:

1. Der Zeitpunkt der Mahd
2. Womit sollte gemäht werden?
3. Das Entfernen des Mahdguts

Glatthafer (Arrhenatherum elatius), bei uns das typische Gras der Mähwiese  (© Armin Jagel, 27.05.2017)

Zeitpunkt der Mahd

Soll der historisch traditionelle Mahdzeitpunkt gewählt werden, kann die erste Mahd nicht genau für einen bestimmten Kalendertag geplant werden, sondern der Entwicklungszustand der Wiese wird in Abhängigkeit vom Wetter berücksichtigt. Früher begann der Bauer mit der Mahd, wenn die Wiese das beste Heu versprach, wenn sich also die meisten Nährstoffe in den oberirdischen Teilen der Pflanzen befanden. Dabei orientierte man sich am Blühzeitpunkt bestimmter Pflanzenarten, wie z. B. am Blühbeginn des Glatthafers (Arrhenatherum elatius). Als Alternative kann auch der Blühbeginn des (leichter erkennbaren) Schwarzen Holunders (Sambucus nigra) herangezogen werden. Vorher sollte nicht gemäht werden, ein oder zwei Wochen später dagegen ist das kein Problem oder sogar besser. Allerdings führt eine zu späte Mahd erst im Juli dazu, dass es nicht zu einer guten zweiten Blüte der Wiese kommt. Diese ist aber enorm wichtig für unsere Wildbienen, die in unserer heutigen Landschaft, anders als früher, im Sommer kaum noch etwas Blühendes geboten bekommen. 

Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) mit Pinsel- und Scheinbockkäfer  (© Armin Jagel)

Das muss man auch im Kopf haben, wenn es schwer fällt, eine gerade wunderschön blühende Wiese abzumähen. Einige Arten blühen nämlich genau zu der Zeit, wenn zum ersten Mal gemäht werden muss, wie z. B. Margerite und oft auch die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis). Sie erholen sich aber nach ein paar Wochen wieder und kommen noch einmal zur Blüte. Pflanzen, die bis Ende Mai fruchten, wie z. B. Hohe Schlüsselblume (Primula elatior), Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis) und Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris), kommen nach der ersten Mahd nicht noch einmal zur Blüte, andere blühen erst danach zum ersten Mal, wie Wilde Möhre (Daucus carota), Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea), Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) und Odermennig (Agrimonia eupatoria).

Die Mahd dauerte in einer Region früher mehrere Wochen, da sie mit der Sense erfolgte. Deshalb wurde den Insekten nicht an einem Tag sämtliche Nahrungsgrundlage entzogen. Daher sollte man heute zumindest auf großen Wiesen in Etappen mähen und Bereiche als Rückzugsräume und Blühinseln stehen lassen. Diese Zonen werden erst bei der nächsten Mahd gemäht und sollten von Jahr zu Jahr wechseln.

Welche Arten sich auf der Wiese etablieren können, hängt maßgeblich von dem gewählten Mahdzeitunkt ab. Wählt man z. B. einen (zu) frühen Termin, dann geht das oft auf Kosten der Klappertöpfe, die erst ziemlich spät (ab Mitte Ende Juni) reife Früchte ausbilden.

Die zweite Mahd sollte Mitte bis Ende September erfolgen. Dann haben die Samen im Oktober noch genügend Zeit zu keimen, bevor der Winter einbricht. 

Wiesenmahd mit dem Balkenmäher  (© Armin Jagel)

Womit sollte gemäht werden?

Rasenmäher, Freischneider, Sense, Balkenmäher - was ist geeignet, was nicht?
Gemäht werden sollte nicht mit einem herkömmlichen Rasenmäher. Dieser erzeugt einen Grasmatsch, er zermalmt das Gemähte komplett, inklusive der Insekten, die im Gras saßen. Dieser Matsch setzt die freien Stellen zu, sodass hier nichts keimen kann. Das ist auch der Grund, warum die sog. Mulchmahd für Entwicklung und Erhalt von Wiesen gänzlich ungeeignet ist.
Die Mahd erfolgt am besten mit der Sense oder einem Balkenmäher. Dabei werden die Pflanzen in einem bestimmten Abstand über dem Boden geschnitten, und fallen als Ganzes um. Insekten können flüchten, Samen fallen herab und können auf offenen Bodenstellen keimen. Das Mahdgut kann schnell und fast restlos entfernt werden. Idealerweise lässt man es noch ein zwei Tage liegen und wendet es täglich, damit möglichst viele Samen der Wiesenpflanzen (nach)reifen und ausfallen können. Bei trockenwarmen Wetter ist es dann bereits Heu und kann eingelagert werden.

Man sollte keine Scheu haben, das Sensen ausprobieren. Mit ein bisschen Anleitung und Geschick kann man es leicht lernen und es ist einfacher in einem kleinen Garten, für den sich die Anschaffung eines teuren Balkenmähers nicht lohnt. Eine Sense ist schnell zur Hand, Sensen stinkt nicht und macht keinen Lärm.
Wenn Sense und Balkenmäher nicht in Frage kommen, muss pragmatisch vorgegangen werden. Auch die (etwas mühselige) Mahd mit dem Freischneider ist machbar, der nur im unteren Bereich metzelt. 

Entfernen des Mahdguts  (© BUND Bochum)

Entfernen des Mahdguts

Das A und O ist das Entfernen des Mahdguts, um der Wiese stetig Nährstoffe zu entziehen. Das ist zunächst oft unverständlich, da man es doch von der Gartenarbeit gewohnt ist, das durch Düngen alles größer und schöner wird. Aber: nur eine magere (= nährstoffarme) Wiese ist eine artenreiche Wiese! Wird sie zu stark gedüngt, wird sie zu hoch und zu dicht, es setzen sich nur nur wenige Arten durch und die niedrigen und konkurrenzschwachen gehen zugrunde. Die offenen Flächen zwischen den Pflanzen werden benötigt, damit sich die Wiesenarten selbst wieder aussäen können. Sie sind aber auch ein wichtiger Eingangsbereich zum Wohnraum unserer Wildbienen, von denen mehr als 70 % ihrer Nester im Boden anlegen. Auch wenn wir der Wiese zweimal im Jahr Nährstoffe entziehen, führt das in der heute viel zu stark eutrophierten Umwelt nicht dazu, die Wiese genügend auszuhungern. Es ist schwer, wieder ein wirklich nährstoffarmes Biotop zu erhalten. Durch die Luft erfolgt ungewollt genügend Eintrag von Stickstoff, den wir gar nicht kontrollieren können.

Warum denn eigentlich so kompliziert?

Schafe auf einer Weide in Bochum-Querenburg  (© Armin Jagel)

"Können Sie denn nicht die Schafe rüberschicken, die sind doch gleich nebenan?", werden wir regelmäßig gefragt.
Nein!

Eine Wiese ist eine Wiese, Beweidung führt zu einer Weide. Die Zusammensetzung der Pflanzen einer Wiese ist eine andere als die einer Weide. Auch das Insektenleben ist ein anderes. Beide Bewirtschaftungsformen haben ihren Wert und haben sich früher gegenseitig bedingt. Wiesen aber sind in Bochum (wie auch sonst oft) verschwunden, Weiden gibt es noch. Eine größere Pflanzenvielfalt und den höheren Blütenreichtum produziert eine Wiese. Wollen wir Wildbienen fördern, benötigen wir blütenreiche Wiesen.

Anreichern einer schon vorhandenen Wiese

Keimlinge von Wilder Möhre (Daucus carota) und Moschus-Malve (Malva moschata) an einer offenen Stelle  (© Armin Jagel)

Kommen wir zurück zu unserer Naturschutzwiese. Als wir sie übernahmen, war sie in keinem guten Zustand, aber sie stellte keinen artenarmen Zierrasen dar. Sie enthielt noch Spuren von einigen charakteristischen Wiesenarten. Wir wollten daher nicht die oben erläuterte rabiate Methode zur Installation einer Wiese verwenden, sondern schonender vorgehen. In so einem Fall kann man anreichern. 

Über einen dichten kompakten Rasen Samen zu streuen, macht keinen Sinn. Das führt zu keinem guten Erfolg, da die Samen nicht keimen können. Wenn die Wiese aber bereits lockerer ist und offene Stellen aufweist, kann man dort einsäen. Man kann dafür auch selbst zusätzliche offene Stellen schaffen. Danach kommt es auf die Wiese an, wie schnell und ob dies zu Erfolg führt. Bei uns wurden in einem feuchten Frühling die meisten der Keimlinge von Schnecken gefressen, nur wenige blieben verschont (Malve, Wiesenknopf). Weitere Keimlinge vertrockneten während der folgenden Dürreperiode.

Jungpflanzen der Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) durch selbstaussaat  (© Armin Jagel)

Wir haben daher parallel dazu auch vorgezogene Pflanzen eingebracht. Das Einsetzen funktionierte oft besser. Man sollte Jungpflanzen aber im Spätherbst oder in den Wintermonaten pflanzen, so dass sie reichlich Zeit haben, gut einzuwurzeln. Auch dann können Schnecken im Frühjahr zu einem Problem werden, aber nicht so gravierend. Jede Gärtnerin und jeder Gärtner hat schon die Erfahrung gemacht, dass frisch eingesetzte  Pflanzen lieber gefressen werden, als die gleichen Sorten, die schon vorhanden waren. Daher sollte auf jeden Fall beim Vorziehen Anzuchterde verwendet werden. Sie ist nicht gedüngt und produziert daher nicht so eiweißreiche, leckere Jungpflanzen. Was wir auch beobachten konnten war, dass bei vielen Arten oft eine einzige Initialpflanung reicht, um eine Art wieder zu etablieren. Sie vermehrten sich sofort wieder selbstständig, säen die Samen zum richtigen Zeitpunkt aus und man muss sich nicht weiter drum kümmern. Ziel ereicht.
Arten, die sich nach mehreren Versuche nicht etablieren lassen, sind ganz offenbar nicht für die betreffende Wiese geeignet. Dann sollte man sie aufgeben. Zu keiner Zeit wuchsen alle erdenklichen Wiesenarten auf nur einer Wiese.

Hilfe durch den Klappertopf

Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor), ein Helfer beim Zurückdrängen von Gras  (© Armin Jagel)

Es gibt Pflanzen, die im Naturschutz helfen, eine artenreiche Wiese herzustellen, indem sie die Gräser zurückdrängen: die Klappertöpfe (Rhinanthus-Arten). Bei ihnen handelt es sich um sog. Halbschmarotzer. Ein unschöner Name, der aussagen soll, dass die Arten nicht alleine lebensfähig sind, weil ihr Wurzelwerk nur ungenügend ausgebildet wird. Sie docken daher unterirdisch an die Wurzeln anderer Pflanzen an, um ihnen Wasser zu entziehen, und dies sind überwiegend Gräser. Früher bezeichnete der Bauer den Klappertopf auch als Milchdieb, da der Wert seiner Wiese für Milchvieh geschmälert wurde, durch die Rückdrängung des kostbaren Futtergrases. Wir dagegen freuen uns über diese Hilfe, denn die beiden in Bochumer Wiesen früher heimischen Klappertopf-Arten sind mittlerweile erloschen und auch landesweit auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Klappertopf-Keimlinge nach Selbstaussaat auf der Naturschutzwiese in Laer  (© Armin Jagel)

Einmal eingebracht, haben sich die Klappertöpfe bei uns nicht nur gehalten, sondern wie auch schon für die Acker-Witwenblume gezeigt, säen sie  sich massiv immer stärker selbst aus. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass nicht zu früh gemäht wird, denn es handelt sich um einjährige Arten, deren Samen sind nicht sehr lange keimfährig. Eine ungeeignete Mahd kann die Klappertöpfe daher sehr schnell wieder auslöschen, wie das auch landesweit zu beobachten ist. Der Kleine Klappertopf (Rhinanthus minor) ist oft bevorzugt an trockenen Standorten zu finden, der Große Klappertopf (R. serotinus) hat natürlicherweise einen Schwerpunkt in feuchteren Wiesen, kann aber auch in trockenen Wiese wachsen. Die dritte in NRW heimische Art, der Zottige Klappertopf (R. alectorolophus) ist in Bochum zwar nicht heimisch, etabliert sich bei uns auf der Wiese aber (nach ungewollter Einsaat durch falsch etikettiertes Saatgut) prächtig.

Es ist ein Versuch wert!

Und damit haben wir ziemlich ausführlich erläutert, wie es gehen kann, verlorengegange Wiesen wieder herzustellen. Wirtschaftlich betrieben können solche Wiesen heute nicht mehr, weswegen sie fast ausgestorben sind. Daher ist die Wiederherstellung umso wichtiger, um Rückzugsgebiete zu schaffen, wo Tierpopulationen vielleicht so lange ausdauern können, bis sie bei einer ökologischen, nachhaltigen Landwirtschaft auch im Wirtschaftsgrünland wieder leben können.

Armin Jagel und Corinne Buch (letzte Änderung 15.05.2021)
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