Kreisgruppe Bochum

Grüße aus der Urzeit – ein seltener Ginkgo in Bochum-Ehrenfeld

Ginkgoblatt mit Raureif am Boden.  (© Armin Jagel)

Kein Laubbaum, kein Nadelbaum und doch ein Gehölz. Eben etwas Besonderes, der Ginkgo - oder auch Fächerblattbaum genannt. Er ist ein klassisches Lebendes Fossil, denn er sieht heute noch genauso aus wie vor etwa 200 Millionen Jahren, als er bereits in Gestein gepresst wurde. Vielleicht ist der Ginkgo nur deswegen nicht ausgestorben, weil man ihn in seiner Heimat China schon sehr lange als Zier- und Tempelbaum pflanzt. Sichere natürliche Vorkommen sind gar nicht bekannt. In Mitteleuropa ist der Baum nicht nur wegen der Blattauszüge gegen Vergesslichkeit berühmt, sondern er hat sich auch als Zierbaum und als geeigneter Stadtbaum durchgesetzt, weil er gut mit Abgasen und Trockenheit zurechtkommt. 

Ginkgo-Weibchen und -Männchen am Schauspielhaus.  (© Armin Jagel)

In Bochum findet man etliche Ginkgos, vor allem in Parks wie z. B. dem Stadtpark und dem Wattenscheider Stadtgarten. Eine eindrucksvolle Gestalt steht auf der Kortumstraße direkt vor Kortum. Dieser Baum macht deutlich, mit wie wenig ein Gingko auskommen kann, in einer Umgebung, die weit und breit zugepflastert ist. Aber Ehrenfeld hat etwas ganz Besonderes zu bieten, eine Ginkgo-Familie. Das findet man nicht mal im Bochumer Botanischen Garten. Sie wächst an der Königsallee am Schaupielhaus hinter den Kammerspielen. Besonders daran ist zunächst mal das Weibchen, das man am besten im Winter erkennen kann, wenn die Blätter schon abgefallen sind, aber die "Früchte" noch an den Zweigen hängen. Ginkgo-Weibchen sind sehr selten und in Bochum war bis 2016 nur dieser Baum bekannt. Bei einer Führung durch den Stadtpark im Winter 2017 stellte sich überraschend heraus, dass auch dort ein Weibchen steht, das in diesem Jahr das erste Mal fruchtete.

Ginkgosamen zwischen Blättern am Boden am Schaupielhaus.  (© Armin Jagel)

Da es bei Ginkgos männliche und weibliche Bäume gibt, werden Samen nur gebildet, wenn beide in der Nähe stehen. Diese sind von einer weichen, fleischigen Hülle umgeben, so dass sie wie kleine Aprikosen aussehen, und so bedeutet das chinesische "Ginkgo" soviel wie Silberaprikose. Früchte sind das im botanischen Sinne zwar nicht, aber sie sehen so aus und werden auch meist so bezeichnet. Wenn sie reif sind, fallen sie ab und beginnen zu stinken. Das "Fruchtfleisch" verströmt einen unangenehmen Geruch nach Schweiß oder Erbrochenem, was chemisch auf Buttersäure zurückzuführen ist.

Ginkgosamen auf der Hauptstraße in Bielefeld-Brackwede.  (© Armin Jagel)

Das kann sehr unangenehm sein, weswegen man eigentlich ausschließlich männliche Exemplare pflanzt. Sie werden vegetativ durch Stecklinge von männlichen Bäumen vermehrt, damit man sicher sein kann, dass daraus wieder Männchen werden. Manchmal gibt es aber offensichtlich "Unfälle" bei der Vermehrung. Vielleicht wurden Bäume vermehrt, von denen man noch nicht genau wusste, ob sie wirklich männlich sind? Denn ansehen kann man das den Bäumen erst, wenn sie im höherem Alter beginnen zu blühen. Wenn ganze Straßen mit großen Mengen von weiblichen Ginkgos bepflanzt wurden, kommen sie in die Nachrichten, sobald sie reif werden, wie 2014 in Essen im Dohmanns Kamp. Meist werden sie dann, wie in Essen, gefällt, weil der Gestank der auf dem Boden liegenden, zertretenen oder zerfahrenen Samen für die Anwohner eine wirkliche Zumutung darstellt. In Bielefeld-Brackwede an der Hauptstraße kam die Überraschung im Jahr 2010, als man merkte, dass 59 Ginkgo weiblich sind. Hier erntete man die Samen kurzerhand ab, denkt aber seitdem auch über eine Neubepflanzung nach. Bis 2017 jedenfalls standen sie noch.

Sämling unter den Ginkgos am Schaupielhaus.  (© Armin Jagel)

Ob nun bewusst so gepflanzt oder nicht: Hinter dem Bochumer Schauspielhaus bei den Kammerspielen steht ein Paar, dass schon seit Jahren reichlich Samen bildet. Im November und Dezember sind diese reif und fallen ab. Und 2008 kam dann die noch größerer Überraschung: Die Samen keimen sogar und man kann im Frühjahr kleine Ginkgo-Pflanzen unter den Bäumen finden. Hier werden sie meist weggepflegt, manchmal aber auch von aufmerksamen Passanten ausgraben und mit nach Hause genommen. Und wer weiß: in einigen Jahrzehnten werden sie dann vielleicht feststellen, dass sie auch ein Weibchen im Garten haben, denn aus Samen können Männchen und Weibchen entstehen.

Warum wird "Ginkgo" so kompliziert geschrieben? Es ist wahrscheinlich, dass das ein Missverständnis bei der Namensgebung im 18. Jahrhundert durch den Vater der botanischen Systematik Carl von Linné war. Gelesen werden die entsprechenden chinesischen Schriftzeichen nämlich gin = Silber und kyo = Aprikose. Das Ypsilon ist dabei offensichtlich falsch gelesen worden und wurde zum g. Da sich die Wissenschaftler aber geeinigt haben, dass ein einmal gültig veröffentlichter Name für alle Ewigkeiten Bestand hat, bleibt es bei der komplizierten und inhaltlich falschen Schreibweise des Ginkgos. Eigentlich. Der Duden hat sich in der neuen Rechtschreibung einfach darüber hinweggesetzt, sodass man nun auch Ginko - ohne g - schreiben darf.

Armin Jagel (01.03.2017).

Literatur zum Weiterlesen:

DÖRKEN, V. M. 2013: Ginkgo biloba - Ginkgo, Fächerblattbaum (Ginkgoaceae), ein lebendes Fossil aus China – Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 4: 181-186. Link: http://www.botanik-bochum.de/jahrbuch/Pflanzenportraet_Ginkgo_biloba.pdf

DEL TREDICI, P. (übersetzt von P. SCHÜTT) Ginkgo biloba Linné, Ginkgo, Fächerblattbaum. in: SCHÜTT, P., WEISGERBERG, H., SCHUCK, H. J., LANG, U, STIMM, B.  & ROLOFF, A.: Lexikon der Nadelbäume: 187-196. - Hamburg.

DER WESTEN (08.10.2014): Stadt Essen fällt Ginkgo-Bäume - weil sie stinken. Link: http://www.derwesten.de/staedte/essen/sued/stadt-essen-faellt-ginkgo-baeume-weil-sie-stinken-id9910361.html 

DÜLL, R. & KUTZELNIGG, H. 2016: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. – Wiebelsheim 

JAGEL, A. 2017: Exkursionen: Bochum-Zentrum, Gehölze im Winter im Bochumer Stadtpark - Link: http://www.botanik-bochum.de/exkursionen/Exkursion170226BOStadtpark.htm 

JAGEL, A. & BUCH, C. 2011: Beobachtungen an einigen Neophyten im Bochumer Raum (Ruhrgebiet/Nordrhein-Westfalen). – Florist. Rundbr. 44: 44-59.  

Westfalen heute (16.11.2010): Stinkende Überraschung: Stadt Bielefeld muss Ginkgo-Früchte abernten. Link: http://www.westfalen-heute.de/mitteilung.php?23324